Solarbranche sieht Licht am Ende Des Tunnels: Niedrige Kosten, schneller Ausbau: Für die Photovoltaik geht es aufwärts. Manch einer prognostiziert gar einen neuen Solarboom. Doch noch gibt es politische Hindernisse.

Die Kosten sinken dramatisch – der Ausbau geht rasch voran: Die Solarbranche glänzt derzeit. Zahlen der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (Irena) zufolge sind die durchschnittlichen Stromgestehungskosten für Photovoltaik (PV) im vergangenen Jahr um 13 Prozent gesunken. Damit kann sie in vielen Ländern mit anderen Erzeugungstechnologien konkurrieren. Irena prognostiziert, dass etwa 80 Prozent der neuen PV-Anlagen, die im nächsten Jahr in Betrieb gehen, ihren Strom zu niedrigeren Preisen produzieren als die billigsten neuen Kohle-, Öl- oder Erdgaskraftwerke. Und auch in Deutschland seien die Preise zwischen 2013 und 2018 um 34 Prozent gesunken. Gleichzeitig nimmt der Ausbau Fahrt auf: In den ersten vier Monaten des Jahres wurden knapp 1,6 Gigawatt neue Photovoltaik-Anlagen installiert, wie die Bundesnetzagentur mitteilte. Dies ist mehr als in den kompletten Jahren 2015 und 2016, als lediglich jeweils rund 1,5 Gigawatt zugebaut wurden. Auch 2017 waren es nur 1,75 Gigawatt, 2018 dann schon drei Gigawatt. Kommt nach jahrelangem Stillstand in der deutsche Solarbranche nun ein Boom?

Anzeichen für eine Trendwende

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) blickt jedenfalls fast euphorisch in die Zukunft, der  Geschäftsindex der Solarbranche sei auf einem Höchststand. „Wachsende Märkte, neue Technologien und ein deutlich gestiegenes Klimaschutzbewusstsein bringen starke Zuversicht in die Branche“, sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW. „Das Geschäftsklima ist auf ein Allzeithoch geklettert, Umsätze und Beschäftigungszahlen steigen.“ Für dieses Jahr rechnet der Verband mit zweistelligen prozentualen Zuwachsraten.

Und auch Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt, sieht Anzeichen für eine Trendwende: „Es ist schon so, dass in den letzten beiden Jahren die Zubauraten in Deutschland deutlich gestiegen sind“, sagt der Chef des Dresdner Herstellers von Photovoltaikanlagen im Gespräch mit bizz energy. Das Unternehmen besteht bereits seit 1993 und ist heute eines der letzten, dass noch Module in Deutschland produziert. 2012 führte Solarwatt eine Insolvenz in Eigenverwaltung durch und richtete sich danach neu auf dezentrale Energieversorgung für Eigenheimbesitzer aus.

Selbstversorgung wird wichtiger

Denen gehe es Neuhaus zufolge immer weniger um staatliche Förderung: „Unter unseren Kunden haben wir niemanden mehr, der wegen einer Renditebetrachtung die Produkte kauft. Einspeisevergütung ist kein nennenswertes Argument mehr – Selbstversorgung ist wichtiger.“ Doch hier seien die Regelungen nicht mehr zeitgemäß. „Es geht nicht mehr darum möglichst viel einzuspeisen, sondern es geht darum möglichst viel selbst zu verbrauchen“, so Neuhaus. Deshalb würden neue Anreize benötigt – sowie Mut und Schnelligkeit von der Politik.

Diese Eigenschaften aber vermisst der Solarwatt-Chef: „Beim Thema Energiewende glänzt die amtierende Politik seit Jahren eher mit Worten und weniger mit Taten.“ Parolen von einer angeblichen Gefährdung der Versorgungssicherheit oder die Unbezahlbarkeit von regenerativen Energien würden die Bevölkerung verunsichern. Diese brauche eine klare Orientierung und die politische Ansage, welche Technologien in die Zukunft führen. Neuhaus plädiert deshalb für eindeutige Statements für die Energiewende und erneuerbare Energien: „Wenn uns das gelingt, dann stehen wir vor einem neuen Solarboom.“

Eine ähnliche Sichtweise vertritt naturgemäß sein Verbandschef: „Wir erwarten eine baldige gesetzliche Fixierung deutlich höherer Ausbauziele und die Beseitigung überkommener Marktbarrieren“, so Körnig. Solaranlagen zählten zu den wichtigsten Klimaschutz-Technologien und die Photovoltaik stehe in ersten Marktsegmenten bereits auf der Schwelle zur Unabhängigkeit von staatlicher Förderung. „Bei der Errichtung neuer Kraftwerkskapazitäten ist Photovoltaik bei Akzeptanz, Ausbaugeschwindigkeit und Preis-Leistungs-Verhältnis inzwischen unschlagbar“, sagte Körnig zur Fachmesse „Smarter E Europe“ im Mai.

Unterstützung bekommen die Branchenvertreter derweil aus der Wissenschaft: Dramatische Kostensenkungen und der rasante Ausbau der Produktionskapazitäten machten die Photovoltaik zu einem „Game Changer“ des globalen Energiesystems, schreiben führende internationale Photovoltaik-Forscher rund um die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes. Diese besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology AIST (Japan) und dem National Renewable Energy Laboratory NREL (USA).

Politik steht auf der Bremse

Das Wachstum der PV-Branche zu einem Multi-Terawatt-Markt verlaufe schneller als erwartet, so die Experten. Während Ende 2018 weltweit 500 Gigawatt Photovoltaikleistung installiert waren, werde für 2030 mit 10 Terawatt und für 2050 mit 30 bis 70 Terawatt gerechnet. „Die Kosten für PV-Module sind in den letzten 40 Jahren um zwei Größenordnungen gesunken. Dadurch sanken die Stromgestehungskosten für Solarstrom – im Gegensatz zu konventionellen Energiequellen – und in weiten Teilen der Welt ist er absolut wettbewerbsfähig“, sagt Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE.

Doch noch wird die Branche Solarwatt-Chef Neuhaus zufolge ausgebremst – sowohl durch die nationale als auch durch die globale Politik. „Im internationalen Handel sind wir Spielball“, sagt er in Hinblick auf die von der US-Regierung ausgelösten Handelsstreitigkeiten mit China. „Andererseits sehen wir, dass viele Länder das Thema regenerative Energien mit mehr Priorität besetzen, als wir das tun.“ Das erkenne man an prozentualen Zubauzahlen und am Arbeitsplatzaufbau in China, den USA, Indien und Europa insgesamt. „Überall sind hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen worden. Nur in Deutschland wurde abgebaut.“

Für sein Unternehmen ist er optimistisch: „Wir schauen innerhalb einer schwierigen Branche mit vielen Haifischen positiv in die Zukunft.“ Hilfreich sei auch, dass das Thema Klimaschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei und die Jugend Druck mache. Für die Politik gebe es viel zu tun. Dabei gehe es ihm aber nicht um eine generelle Förderung der Solarindustrie, sondern um Förderung für den Endkunden als Signal für das richtige Handeln: „Man kann doch keinem erklären, warum es für Ölkessel noch staatliche Beihilfen gibt“, so Neuhaus.

Quelle: https://bizz-energy.com/solarbranche_sieht_licht_am_ende_des_tunnels